Seit 2006 engagierte sich vivo für Opfer des Völkermordes in Ruanda, die immer noch unter traumabezogenen Konsequenzen leiden. Eine bedeutsame Komponente war dabei das Training einer Gruppe ruandischer Psychologen durch vivo-Experten in Narrativer Expositionstherapie (NET) und Interpersoneller Therapie (IPT), welches im Herbst 2007 in Butare stattfand. 86 Völkermordopfer wurden zufällig einer Behandlungs- und einer Wartelistengruppe zugeteilt. Unter der Supervision von Experten führten die ruandischen Therapeuten sechs Sitzungen NET und zwei Sitzungen IPT durch, die jeweils zwischen 90 und 150 Minuten in Anspruch nahmen. Alle Behandlungen wurden mit großem Erfolg beendet und die Teilnehmer profitierten beträchtlich. Dies zeigte sich bspw. in der Reduktion der Trauma- und Depressions-Symptome.
Die Aktivitäten von vivo sprachen sich in Butare herum; so baten Freunde und Nachbarn die vivo -Therapeuten um psychologische Unterstützung. vivo wurde klar, dass für den Umgang mit diesem umfassenden Bedürfnis nach psychischer Rehabilitation fundiertes Wissen dafür notwendig ist, wie sich Kollegen untereinander effektiv weiterbilden können. Eine neue Projektphase begann.
Fotos:
oben: Die Trainer Charles Ingabire und Therese Uwitonze bei einer Theorievorlesung im Training der „zweiten Generation“ ruandischer Psychologen.
unten vivo-Mitglied und Projektleiterin Nadja Jacob während eines Interviews mit einem Waisen in Butare.
Die „erste Generation“ von qualifizierten lokale Therapeuten, die im Herbst 2007 ausgebildet worden war, schulte und supervidierte nun eine „zweite Generation“ an ruandischen Psychologen in NET und IPT. Diese boten Behandlungen für die Teilnehmer der Warteliste an. Sechs Therapeuten arbeiteten von Juni bis Juli 2008 unter der Supervision von Providence Akabeza und Agnes Nyirabizimana, ruandische Therapeuten aus der „ersten Generation“. Auch die Therapeuten der zweiten Generation führten die 31 geplanten Therapien mit Völkermordopfer durch. Evalutionsinterviews wurden drei, sechs und zwölf Monate nach der Durchführung der NET/IPT geführt. Der Therapieerfolg wurde durch die ruandischen Interviewer sowie durch vivo -Experten bestimmt.
Der anspruchsvolle Plan ging auf, denn die zweite Generation der NET/IPT-Therapeuten war ebenso erfolgreich wie die erste Generation: Die Erfolge durch die Therapie, die auf Trauma, Trauer, Depression und Suizidalität fokussierten, waren in beiden Gruppen beträchtlich und wiesen über die Zeit Stabilität oder sogar eine erneute Verbesserung auf. Weiterhin verbesserte sich die körperliche Gesundheit und Funktionsfähigkeit im alltäglichen Leben. Außerdem berichteten die meisten Teilnehmer von einer subjektiven Verbesserung der psychischen Gesundheit durch die acht Psychotherapiesitzungen. Den Opfern des Völkermordes, die nicht bedeutsam von den acht Sitzungen profitierten, wurden weitere, den individuellen Bedürfnissen zugeschnittene Sitzungen mit NET oder Beratung durch die ruandischen Therapeuten angeboten. Im August 2009 wurde das Projekt mit der letzten Evaluation offiziell beendet.