Seit April 2011 arbeitet die vivo Ambulanz erfolgreich in Gulu, Norduganda, um Überlebenden von Gewalterfahrungen während und nach des Krieges eine Anlaufstelle für psychotherapeutische Behandlung von Langzeitfolgen von traumatischen Erlebnissen zu sein.
Besonders betroffen sind dabei ehemalige Kindersoldaten, die oft Monate bis Jahre gezwungen worden waren mit den Rebellen im Busch zu leben, für sie zu kämpfen und zu töten. Auch wenn die Kämpfe in Norduganda seit 2005 beendet sind – die angsterschreckend lebendigen Erinnerungen der Vergangenheit bleiben in den Köpfen der Menschen und beeinträchtigen stark ihr tägliches Leben mit der Familie, auf Arbeit, in der Schule. Heutzutage sind fast alle ehemaligen Kindersoldaten (junge) Erwachsene, von denen erwartet wird, dass sie produktive Familien– und Gesellschaftsmitglieder sind.
Wir wollen heute einen Überblick geben, welche Arbeit die 14 Therapeuten der vivo Ambulanz geleistet haben – in Form von Zahlen und Fakten:
Seit April 2011 haben wir in Kooperation mit Forschungsprojekten der Universität Ulm und Konstanz 561 Klienten betreut, und von denen wurden mit 548 ein diagnostisches Erstinterview durchgeführt, um das Ausmaß der Gewalterfahrungen und daraus resultierenden psychischem Leiden genauer zu erfassen. Zum Zeitpunkt des Interviews waren unsere Klienten durchschnittlich 32 Jahre alt – der jüngste Klient war 13 Jahre alt und der älteste 87 Jahre. 78% dieser Klienten sind ehemalige Entführte der LRA, die oftmals schon als Kinder entführt wurden und als Kindersoldaten zum kämpfen und töten missbraucht wurden. Unsere Klienten wurden unterschiedlich lange entführt von einer Stunde bis zu 16 Jahren, mit einem Durchschnitt von 2 Jahren und 5 Monaten.
45% der interviewten Klienten leiden unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, der häufigsten Traumafolgestörung, die durch das Wiedererleben des Traumas in Form von sich aufdrängenden Bildern, Gedanken, Gefühlen, Albträumen und Flashbacks gekennzeichnet ist und das Funktionieren im Alltag massiv beeinträchtigt. Dies ist höher als im gesellschaftlichen Durchschnitt, weil die Mehrheit unsere Klienten ehemalige Entführte sind, die eine höhere Belastung an erlebten traumatischen Kriegserlebnissen haben. Fast alle (94%) konnten mit der Narrativen Expositionstherapie behandelt werden. Die 14 vivo Therapeuten behandeln gleichzeitig immer zwei Klienten in individuellen Sitzungen, welche sie zweimal wöchentlich durchführen für einen Zeitraum von ca. 6 bis 8 Wochen. Die Therapien finden entweder in den Beratungsräumen der Ambulanz statt oder in den Hütten der Klienten selbst, da die Dörfer oftmals in weiter Entfernung liegen.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben 83% eine Folgeuntersuchung (Zweitinterview) nach 4 und 8 bis 10 Monaten erhalten, um die kurz- und langfristigen Veränderungen der trauma-bezogenen psychischen Symptome zu verfolgen. Davon hatten 80% keine Posttraumatische Belastungsstörung mit einhergehenden tagtäglichen Funktionsbeeinträchtigungen mehr. 20% der Klienten, die weiterhin von klinisch relevanten trauma-bezogene Symptome berichten, werden von den Therapeuten weiterbehandelt, z.B. bei neu erlebten traumatischen Ereignissen, bei besonders scham- oder schuldbesetzten traumatischen Ereignissen, die erst in der Nachuntersuchung dem Therapeuten mitgeteilt werden, bei andauernden häuslichen Gewalterfahrungen, bei Alkoholmissbrauch.
Eine häufige Begleitstörungen in Form eines erhöhten Suizidrisikos wird von unseren Therapeuten auch immer durch Notfallinterventionen behandelt und zeigt 100% Erfolge in der Reduzierung der Suizidalität.
Zusätzlich zu der trauma-spezifischen Behandlung der 561 Klienten haben die Therapeuten weitere 214 Insassen des Gulu Gefängnisses durch Beratung für tagtägliche Sorgen und Probleme betreut.
Insgesamt haben wir somit 775 Klienten betreut und unsere lokalen, von vivo trainierten Therapeuten leisten eine unglaublich wertvolle und einzigartige Arbeit, die nicht nur quantitativ sondern vor allem qualitativ beeindruckend ist: In ihrer stetigen Arbeit mit Klienten zeigen sie höchste Empathie und Professionalität, wenn sie die Klienten dabei unterstützen negativ emotionale Erlebnisse zu erinnern, sich mit ihnen erzählend zu konfrontieren und dadurch zu verarbeiten. Durch ihr stetiges Interesse an Weiterbildungen haben sie ihre therapeutische Kompetenz in den letzten 6 Jahren beeindruckend gesteigert. In ihrem Erfahrungsschatz in der Arbeit mit schwersttraumatisierten Überlebenden von Terror und ehemaligen Kindersoldaten ist dieses Team einzigartig. Hierfür kann von allen vivo Mitgliedern nur das allerhöchste Lob und auch Dank ausgesprochen werden.